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The Phantom

»The Phantom«
Untertitel auf Englisch, ca. 20 Minuten


Drei Menschen, die alle miteinander verwandt sind, erzählen über Telefonatgespräche von ihren Ängsten, ihrem Hass und ihrem Glück. Sie erinnern sich und vergessen nicht die Vergangenheit.

Zuerst hört man das Keuchen und die Schwierigkeit Luft zu holen. Im voice-over wird gefragt "What is it that you can not see but feel its presence?"

Dann beginnen die Telefonatgespräche.

Das erste Gespräch ist zwischen Vater, Mutter und Tochter auf Tamil. Der Vater sagt, dass mit der Mutter etwas nicht stimmt. Die Mutter hat Angst vor Abschiebungen  nach Sri Lanka. Sie hat Angst um ihren Sohn und sie erzählt von Diskriminierungs - und Rassismuserfahrungen als "Ausländer". Ihr Sohn, Siva, meldet sich nicht und kommt auch nicht mehr nach Hause, um die Eltern zu besuchen.

Im nächsten Gespräch, ein Telefonat zwischen älterer Schwester und kleinem Bruder, Siva, fragt die Schwester wieso er nicht nach Hause komme und, dass er sich von der Familie abgrenzt. Der kleine Bruder Siva antwortet, er möchte nicht von der Familie besucht und genervt werden. Das Gespräch ist mit einem Mix zwischen Deutsch und Tamil gesprochen worden.

Das dritte Gespräch ist über voicemessages. Cousin und Cousinen unterhalten sich auf französisch. Sie haben sich zuletzt vor über 17 Jahren in Sri Lanka gesehen und seitdem kein Kontakt mehr gehabt. Erst letztes Jahr wurde der Kontakt vom Cousin gesucht. Die Cousine gehört der Eelam tamilischen Diaspora in Deutschland an und der Cousin der Eelam tamilischen Diaspora in Frankreich. Der Cousin erzählt über seine Kindheit in Sri Lanka mit seiner Mutter und seinem gewalttätigen Vater und Alkoholiker, der nun seit langem verstorben ist. Er hasst seinen Vater und ist seiner Mutter dankbar, dass sie ihn nach Frankreich gebracht hatte. Er ist froh, dass er nicht mehr in Sri Lanka lebt, da er dort nichts hätte. Sein Stiefvater, Ludovic, ein weißer Franzose, war wie ein Vater für ihn, während sein biologischer Vater nie für ihn da gewesen sei und ihn nur schlug. Er erzählt von seinen ersten Erfahrungen in Frankreich, wo er mit 13 oder 14 Jahren ankam.

Zum Schluss wird über voice-over die zu Beginn gestellte Frage wiederholt "What is it that you can not see but feel its presence?" Darauf gibt der Film keine richtige Antwort. Anschließend folgt der Titel des Filmes „The Phantom“.

Das Keuchen und die Schwierigkeit Luft zu atmen erfüllt das Ende des Filmes. Und soll das Ersticken von den schlechten oder sogar traumatischen Erinnerungen darstellen.

Die Bilder, die zusammen mit dem Audio laufen sind einfache Naturereignisse an einem regnerischen Tag. Man sieht Flüsse, unterschiedliche Früchte, Bäume, Matsch und Schlamm. Allen gemeinsam ist Wasser. Wasser wird in diesem Film metaphorisch als Kommunikation und Verbindungspunkte gesehen. Zusammen mit dem Audio, dass die technische Kommunikation über Telefonate oder voicemessages darstellt, stellen die Naturbilder einen Kontrast dar und zeigt natürliche und organische Kommunikation und Verbindungspunkte. Die unterschiedlichen Sprachen  im Film gibt symbolisch die unterschiedlichen Eelam Tamil Diasporen wieder, denn es gibt keine DIE Eelam Tamil Diaspora. Auch der Verlust der Muttersprache bzw. das Gebrochene sprechen der Muttersprache und das zweisprachige Aufwachsen in der zweiten Generation Eelam Tamil Diaspora wird besonders im zweiten Gespräch deutlich.

Es wird mit Gegensetzen, Kontrasten und Widersprüchen gearbeitet, da dies Erinnerungen prägen. Andererseits ist der harmonische Kontrast von Wasser auch ein Mittel, um mit den krassen Inhalten der Telefonate irgendwie umzugehen.

Das Phantom selbst ist ein Widerspruch. Es ist die Vergangenheit, die nicht ganz weg ist. Sie ist aber auch nicht hier und befindet sich zwischen Erinnerung und Gegenwart. Dieses „Verfolgt werden“, die Kamerabewegungen und das Herumstreunen in der Natur, diese Orientierungslosigkeit, und das „Suchen“ nach etwas soll durch das Phantoms ausgedrückt werden.

Es gibt eine Widerspruch zwischen wilder Natur und menschengemachte künstliche Interventionen in der Natur. Es gibt einen Widerspruch zwischen den Generationen (beispielsweise Eltern vs. Tochter vs. Bruder). Einen Widerspruch, wie sich der Vater verhält und was die Mutter beschäftigt.

Es gibt einen Widerspruch in dem Aufschrei des Cousins. Für Sri Lanka hat er nur Bedauern, es gäbe dort nichts und ist nur deprimiert wegen des Vaters und seiner Familie und was er ihm und seiner Mutter angetan hat. In Frankreich sei sein Leben viel besser und freier. Es gibt einen Widerspruch der Werte und der Erinnerung damals und heute. Auch der Widerspruch, wie sein biologischer Vater war im Gegensatz zu wie er den weißen französischen Stiefvater Ludovic akzeptiert. Wie er seine Vergangenheit sieht und wie er seine Gegenwart sieht.

Die Widersprüchlichkeit der Form des Films selbst ist ebenfalls wichtig: die schwarz-weiß-Bilder, die Geräusche des Windes und des Wassers, die langsam, harmonisch und meditativ sind, und dieses Gespräch, das offensichtlich angespannt ist. Die Form selbst, das Ambiente, die Bilder sind reflexiv und kontemplativ, sind langsam und bringen einen an einen ruhigen Ort, aber gleichzeitig ist das Gespräch im Hintergrund und gibt einem eine Art beunruhigendes Gefühl.


Artist: Susheela Mahendran (keine Pronomen, nur Name)

Susheela Mahendran ist Filmemacher*innen, Maler*innen und freie Journalist*innen. In den Kunstarbeiten behandelt Susheela Themen von Gewalt, Diaspora, Migration, Flucht- und Kriegserfahrungen, sowie Erinnerungsarbeiten in Familien und in der Community im Eelam Tamilischen (diasporischen) Kontext.


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January 29

BON APPÉTIT, BABY